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VernissageSie hält den Kopf gebeugt. Ihr Blick fällt über den dunklen Rahmen auf die roten Beine. Staksig ragen sie - feuergleich - unter einem grauen Kostümrock hervor, enden in grauen Pumps.Wie seltsam! Während ihre Finger emsig ihre Tätigkeit fortführen, verfolgen ihre Augen die Bewegung der Beine. Nicht hastig , eher verhalten tun sie einen Schritt vorwärts, einen zurück, verharren und kommen nun dicht auf sie zu, zu dicht, um sie noch voll im Blick zu haben. Sie bedauert dieses, wünscht die Beine zurück in ihre anfängliche Position. Wenn sie unscheinbar bliebe, weiter so täte, als kümmere sie nur ihre Arbeit, ob die roten Beine dann ihren Wunsch erfüllten? Sie hält den Atem an, innerlich abwartend, während ihre Hände äußerlich kein Verharren erkennen lassen. Und tatsächlich, die Beine bewegen sich, rückwärts, auf ausreichend Distanz, um wieder ein vollkommenes Blickfeld zu schaffen. Bei genauem Betrachten, wenn auch aus den Augenwinkeln, entdeckt sie nun in feurigem Rot schmale blaue, gelblich grüne und zartviolette Streifen, die jähes Erkennen, dann Erschrecken, Zorn und gleichzeitig Mitleid durch ihren Körper jagen, ihren Magen zusammenziehen, nun doch für einen Augenblick auch ihre Hände zum Stillstand bringen. Die Kartoffel rollt ihr aus der Hand, kullert zu Boden, bleibt vor einem Tischbein liegen. Das Schälmesser sinkt in ihren Schoß. Sie unterdrückt ein Würgen und auch die Tränen, die ihr über die Wangen rinnen wollen. Endlich hebt sie ihren Blick, läßt ihn hochsteigen an dem grauen Kostüm bis er auf einem Gesicht liegenbleibt, einem Gesicht, das ihr Entsetzen in Erstaunen verwandelt. Hat sie doch erwartet, daß sie Pein und Schmerz finden würde. Diese mißhandelten Beine können unmöglich leuchtende Augen geschaffen haben! Mit wachem Interesse, lächelnd, entspannt sehen sie ihr entgegen, verschmelzen mit ihren eigenen. Und mit einem Male ist ihr schmerzhaft klar: hier steht keine geschundene Frau vor ihr, hier findet sie keine Seelenverwandte... Verwirrt und verschämt senkt die Kartoffelschälerin den Blick, wendet sich mutlos wieder ihrer Arbeit zu, versinkt in ihrem Grau... die roten Beine verschwinden aus ihrem Sichtfeld, bleiben vor dem nächsten Bild stehen. |
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© 2004 · Mimi·![]() |