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Damen im CaféEva spielte schon eine ganze Weile mit Lottes Kugelschreiber. Sie knipste die Mine raus und rein, sehr zu Lottes Ärgernis. Sie runzelte die Stirn und zischte: Kannst du das nicht lassen? Das geht mir furchtbar auf den Wecker! Die Leute gucken ja schon!Die gucken, weil du dich so aufregst, dachte Eva bei sich, legte den Kugelschreiber aber brav auf das Tischchen, genau zwischen das Marmeladengläschen und ihre Kaffeetasse. Ein schöner Stift, sann sie schwärmerisch, hat sicher ne Menge gekostet, so wie er aussieht. Ist bestimmt emailliert, und wenn das man nicht Gold ist, was da glänzt... Eva nahm den Stift wieder in ihre Hand, wog ihn, drehte ihn, ließ ihn in der Sonne funkeln und warf einen Blick auf Lotte . Die schien nichts davon bemerkt zu haben, denn sie unterhielt sich angeregt mit Meike. Eva schob den Stift in ihre Handtasche und griff dann nach der Kaffeetasse. Lotte nahm auch gerade einen Schluck. Für einen Moment war es mucksmäuschenstill in dem Café. Meike nutzte die Gelegenheit; wie üblich war sie bei Lottes Wortschwall nicht zu Wort gekommen. Was hältst du denn von der Sache? wandte sie sich an Eva. Die sah sie unverständlich an. Wovon? fragte sie verwirrt. Ja, hast du denn gar nicht zugehört? empörte sich Meike. Lotte und ich reden doch die ganze Zeit schon davon... Eva grinste in sich hinein. Sie wollte noch etwas sagen, aber da hatte Lotte das Gespräch schon wieder aufgenommen. Wenn sie bei ihrer Leibesfülle doch nur nicht immer diese Ringelpullis tragen würde! Aber Dörthe hatte ja noch nie ein Gespür für das, was ihr steht... sie hatte auch nie ein Gespür für Inneneinrichtung...weißt du noch, als sie... Eva hörte schon nicht mehr zu. Ihr fiel der Kugelschreiber wieder ein. Sie sah auf die leere Stelle zwischen Marmelade und Kaffeetasse. Wo war er denn noch? Ach ja, sie hatte ihn in ihre Tasche gesteckt. Sie erschrak. Als kleines Mädchen hatte sie Dinge mitgehen lassen. Sie wußte, daß mitgehen lassen die Sache beschönigte. Klauen oder stehlen hätte es heißen sollen. Aber Eva fand, daß sie das nicht tat! Selbst mitgehen lassen beschrieb nicht die Leidenschaft, die sie empfunden hatte, wenn sie einen Gegenstand für würdig gehalten hatte, in ihrer Tasche verschwinden zu dürfen. Schade nur, daß die Dinge in ihrem Zimmer nicht in geeigneter Weise zur Schau gestellt werden konnten. Anfänglich hatte sie das noch getan, aber dann hatte ihr die Mutter peinliche Fragen gestellt. Woher sie den Wecker habe? Die vielen neuen Bücher? Die Schallplatten, Schleifen, Kämme, Süßigkeiten? Eine Weile konnte sie ihre Mutter beruhigen. Die Sachen seien nur vorübergehend ausgeliehen. Und so mußte sie alles leider verschwinden lassen, verstecken, in den Tiefen ihrer Schubladen, ihrer Schränke. Sie konnte sie nur heimlich hervorholen, um sich daran zu erfreuen. Niemand durfte etwas davon wissen! Und eigentlich hatte sie auch niemanden, dem sie ihre Schmuckstücke hätte zeigen können...Sie verlor das Interesse... Und nun hatte sie es wieder getan! Nach so vielen Jahren! Wieviel Zeit war vergangen? 40 Jahre? Eva zog den Kugelschreiber aus ihrer Tasche, legte ihn auf den Tisch, wieder auf den freien Platz zwischen Marmeladenglas und Kaffeetasse. Lotte redete noch immer auf Meike ein. Eva stand auf, zahlte, nahm ihren Mantel und verließ das Café. Im Hinausgehen hörte sie Lotte. Ach, du meine Güte, und dann hat sie sich diesen Pudel angeschafft! Einen Pudel! Stell dir das mal vor! Ist das möglich? Ja, Dörthe... |
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© 2004 · Mimi·![]() |