Therapie

Ich male Alpträume, um sie zu verscheuchen.
Nächte, Tage verbringe ich mit Malen.
Denn ich habe Angst vor dem Schlaf.
Die Menschen lieben meine Bilder. Sie stehen bewundernd davor, in der Galerie.
Sie kaufen eines.
Sie hängen es sich in ihr Wohnzimmer, Wartezimmer, Büro...
Sie fühlen sich von den frohen Farben angezogen.
Niemand ahnt, daß ich böse Erinnerungen banne.
Das Dargestellte verrät nichts.
Die Farben sind der Alptraum.
Meine Therapeutin hat mir zum Malen geraten.
Sie sagt, das wird meine Alpträume verjagen.
Doch sie war nicht dabei.
Als das Kind unter die Räder des Faschingwagens geriet.
Als Gelb-Grün-Blau durch die Luft wirbelten.
Als Ocker-Olive-Türkis auf die Straße getreten wurden.
Als ein vielfaches Bunt aufschrie und die Hände vor die Augen schlug.
Als nichts als Rot blieb...
Ich hole die Farben aus meinen Träumen.
Auf meine Leinwand.
Immer und immer wieder.
Und ich stelle mir vor, daß die Farben mit der Zeit blasser werden.
Daß durch das Rot eines Tages wieder das Gesicht des Kindes blickt.
Meines Kindes.
 
© 2004 · Mimi··email senden